Konzept und photografische Umsetzung

 

Der Künstler Jan Bejšovec nutzt den materiellen „Konfliktstoff“, d.h. Collagen aus Textilien mit bestimmtem Design oder spezieller Herkunft als zusätzliche Authentizitätsebene. Neben dem eigentlichen Motiv überträgt so auch der Stoff die Bedeutung des Bildes. Der Gegensatz zwischen den „weichen“ textilen Bildbestandteilen und einer „harten“ Bildaussage erhöht die Ausdrucksmöglichkeit dieser Technik.

Die für das Photoprojekt Cause for conflict“ geschaffenen detailgetreuen Nachbildungen der  AK-47 Kalaschnikow verdeutlichen dieses Konzept exemplarisch.

Obwohl die „Waffen“ vollständig aus Stoff bestehen, erzeugt bereits die ikonografisch konnotierte Silhouette einen martialischen Eindruck.

Durch die Verwendung von originalen militärischen Tarnstoffen für alle „Waffenteile“ wird der größte Effekt erzielt. Das Wissen von einem speziell für das Militär entwickelten und genutztem Stoff verbindet sich mit dem Umriss der Waffe so einem neuen authentisch wirkenden Artefakt. Für den Betrachter der Situation bzw. der Bilder stellt sich sofort der Eindruck einer Konfliktsituation dar.

Damit erzeugt dieses „fake“ eines photojournalistischen Standardmotivs eine beängstigend reale Wirkung.

Auch bei den Beteiligten, die freiwillig für das Photoprojekt als Modell zur Verfügung standen, stellte sich beim Tragen der „Waffe“ sofort ein Gefühl des „Bewaffnetseins“ ein. Ganz egal ob die Personen männlich oder weiblich sozialisiert  oder ob sie bereits mit echten Waffen in Kontakt gekommen waren oder nicht, die Präsenz des Waffenkorpus aus Militärstoff gab jedem den Eindruck tatsächlich kampffähig zu sein.

Cause for conflict“ hinterfragt also nicht nur die Sehgewohnheiten der Betrachter der Photographien sondern ist auch ein Experiment, wie sehr das Objekt Waffe in unserer Wahrnehmung und in unserem Handeln vorhanden ist.

Obwohl echte Waffen in der heutigen Gesellschaft kaum bis gar nicht offen sichtbar bzw. verfügbar sind,  wird der Umgang mit Waffen umso mehr durch Medien wie Fernsehen, Film, Internet und Computerspiele vermittelt.

Wie schnell diese Stereotypen abrufbar sind, hat dieses inszenatorische Kunstprojekt eindrucksvoll gezeigt.

 

Bei der photographischen Umsetzung des Projektes „ Cause for Conflict“ war es der Photographin Friederike Kalz besonders wichtig, realistische Szenen zu arrangieren, die dem Betrachter einen echten Konflikt suggerieren. Obwohl die Motive inszeniert wurden, sollte der Eindruck entstehen, dass es sich um eine photojournalistische Arbeit handelt.

Erreicht wurde dies durch den Verzicht auf aufwendige Licht- und Kameratechnik und der fast ausschließlichen Nutzung von natürlich vorhandenem Tageslicht.

Zum anderen wurde bei dem Arrangement der Szenen detailgenau darauf geachtet, dass die Authentizität der Motive im Vordergrund steht.

Bei der Wahl der Modelle wurden keine professionellen Models gewählt, sondern Personen aus dem Bekannten- und Freundeskreis der Künstler. Teilweise inszenieren sich die Künstler auch selbst in den Bildern.

Die Modelle haben die verschiedensten demografischen, sozioökonomischen und psychografischen Merkmale. Es sind Männer und Frauen aller Altersschichten, verschiedener Herkunft, mit unterschiedlichem Bildungsstand und Einstellungen.

Mit dieser Diversität soll ein Aufbrechen des bekannten Stereotyps vom jungen männlichen Kämpfer erzielt werden. Jeder Mensch kann in die Situation geraten, kämpfen zu müssen. Der Rezipient wird herausgefordert die gewohnte Abgrenzung gegenüber dem Stereotyp des Kämpfers aufzuheben und sich selbst zu fragen, wie er in einer Konfliktsituation reagieren würde.

Alle Modelle wurden vor dem Shooting intensiv mit der Thematik des Projektes vertraut gemacht. Sie sollten von der eigenen Kleidung das auswählen, was sie in einem tatsächlichen Kampf tragen würden. Dabei entstand eine Mischung aus ziviler und militärischer aber vor allem praktischer Kleidung, ähnlich wie man sie aus realen Krisenregionen kennt.

Beim Shooting selbst wurden die Modelle in die Umsetzung der Szenen mit einbezogen. Sie sollten nicht nur statische Darsteller sein, sondern sich tatsächlich in einen Konflikt hineinversetzten.

Dabei entstanden zum einen dynamische Kampfszenen, aber auch Momente der Stille und Erschöpfung. Die Darstellung des Konfliktes sollte sich nicht ausschließlich auf den aktiven Kampf beschränken, sondern auch Ruhephasen und alltägliche und organisatorische Szenen mit einbeziehen.

Das Gefühl der inneren Aufruhr und die allgegenwärtige Bedrohung durch einen für den Betrachter unsichtbaren Gegner, bleibt dabei aber kontinuierlich bestehen.

Als Einsatzort wurden Privatwohnungen, öffentliche Einrichtungen und das urbane Stadtbild Berlins genutzt. Die Frage nach der Art des Konfliktes bleibt offen. Es soll lediglich gezeigt werden, dass ein Konflikt, welchen Ursprungs auch immer, jederzeit auch in unserer Gesellschaft und nicht nur in weit entfernten Krisenregionen möglich ist.

Die Waffe als Symbol für den Kampf ist in den Aufnahmen teilweise nur schemenhaft erkennbar. Dennoch ist sie das bildtragende Element.

Obwohl es sich um keine echte Waffe handelt, schafft sie ein Gefühl der Bedrohung.

Die Kombination aus Kleidungsstil und Ausdruck der Modelle mit der Waffe erzeugt beim Betrachten sofort den aus den Medien bekannten Stereotyp, von dem sich aber nun niemand ausschließen kann, weil man sich mit den dargestellten Personen und der Umgebung identifiziert und begreift, dass man selbst dazu gehören könnte.